Kindertagesstätte Gatow

Gatow bei Berlin

Die Kindertagesstätte ist ein öffentliches Haus. Sie ist ein Haus der Gemeinschaft und ein Haus für die Gemeinschaft. Und sie ist wahrscheinlich das erste öffentliche Haus, das die Kinder bewußt wahrnehmen und nutzen werden. Das Haus ist daher groß, deutlich größer als die benachbarten Wohnhäuser. Seine Erscheinung ist großzügig. Und ernsthaft. Ernsthaft in dem Anliegen, den Bedürfnissen seiner zukünftigen Bewohner zu entsprechen und ebenso ernsthaft in seinem Auftreten, in seiner Gestalt.

Das Haus ist daher auch ‚anders’, es ist zunächst verschieden von den benachbarten Einfamilienhäusern aber wichtiger noch: dieses Haus für Kinder kommt ohne die übliche, nur vordergründig kindgerechte Dekoration aus. Es versucht auch nicht, einen Ausschnitt der Welt verkleinert nachzubilden, sondern es bleibt ganz selbstverständlich Teil der einen Welt, in der wir alle leben, gemeinsam.

Dennoch ist das neue Haus als Kindergarten leicht zu erkennen. Mehr noch: es scheint fast prototypisch, gleichsam zeichenhaft für seine Bestimmung zu stehen. Wenn Kinder das Haus malen werden, so wird man es nicht verwechseln können: Zum weitläufigen Anger der Siedlung auf dem alten Flugplatz Gatow zeigt sich das Haus mit zwei großen Terrassen im Garten und im Obergeschoß.

Eindrucksvoll ist die Terrasse im Obergeschoß, sie bestimmt das räumliche Bild. Funktional ergibt sich diese Terrasse aus dem einfachen Umstand, daß im Erdgeschoß mit der Küche und den notwendigen Nebenräumen eine deutlich größere Fläche unterzubringen ist, als im Obergeschoß. Im Ergebnis erhalten so alle Gruppenräume, auch im Obergeschoß einen unmittelbaren Zugang ins Freie. Auf dem sehr begrenzten Grundstück wird zudem eine zusätzliche Spielfläche gewonnen.

Soweit die funktionale Erklärung. Tatsächlich prägen die Terrassen das Bild des Hauses. Die großen, schwarz-weiß-gestreiften Markisen zeigen: hier wird auch im Freien gelebt. Ein Kinder-Garten. Natürlich erinnern die Terrassen an vergleichbare Bauten für Kinder aus den 20er und 30er Jahren, an Konrad Wachsmanns Wald-Erholungsheim in Spremberg etwa, oder an Giuseppe Terragnis Kindergarten in Como.

Das Haus wird erkennbar. Interessant ist aber, daß diese Erkennbarkeit hier nicht auf die Kenntnis der architekturgeschichtlichen Vorbilder angewiesen ist. Das Bild des Kinder-Gartens gewinnt für sich selbst eine fast archetypische Qualität. Natürlich ist es nicht unwichtig, daß diese Erkennbarkeit mit der größten Sparsamkeit in den formalen Mitteln erreicht wird. Es ist kein lautes Haus. Gerade für ein öffentliches Gebäude ist dies nicht zuletzt eine Frage der Angemessenheit.

 

Bauherr: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Berlin
Direktauftrag nach städtebaulichem Wettbewerb, realisiert
mit G. Heidenreich
Neubau einer Kindertagesstätte mit ca. 100 Plätzen
Mitarbeit: L. Pahlisch, A. Schmalen
Bauüberwachung: Springer Architekten
Freianlagen, Stefan Bernard Landschaftsarchitekten. Berlin
Kunst am Bau: Renate Wolff, Berlin
Tragwerk: Ingenieurbüro R. Jockwer GmbH
Technische Ausrüstung: pin Planende Ingenieure, Berlin
Fotos: Bernd Hiepe, Berlin
Referenzbild: Asilo Sant'Elia, Giuseppe Terragni, Como, 1935-1937