Naturbad Großenhain

Großenhain (Sachsen)

Das Verständnis architektonischer Bilder beruht auf Erfahrungen. Mit der Erinnerung an zuvor Gesehenes werden individuelle geschichtliche Bezüge hergestellt - nicht im Sinne einer historischen Eindeutigkeit sondern in einer unbestimmteren Form, die offen bleibt für die Wahrnehmung des Anderen. Das Projekt für den Neubau eines Freibades berührt diese Erinnerungen.

Das Naturbad in Großenhain nutzt eine weitläufige Teichanlage, die –als Ersatz für das Carolabad von 1903– in den 30er Jahren im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprogramms angelegt worden war. Die Teiche liegen in der Auenlandschaft eines kleinen Flüßchens, der Röder, und es war ein Ziel dieses Projektes, diese Auenlandschaft zwischen zwei Hügeln, auf denen die Stadt liegt, wieder erkennbar werden zu lassen. Das Gebäude liegt daher parallel zum Fluß an der Hangkante der Flußaue und nimmt einen Teil des natürlichen Höhenunterschieds auf.

Im Unterschied zur der etwa 6m hohen Wasserseite tritt das Haus wegen seiner Lage an der Hangkante auf der Landseite nur als eingeschossiger Baukörper in Erscheinung. Man betritt das Bad also gewissermaßen von oben. Vom Zugang zum Bad hat man einen wunderbaren Ausblick über die Auenlandschaft und die Altstadt auf der gegenüberliegenden Seite.

Die Schalung der Fassaden wurde mit dem in Schweden sehr verbreiteten Falunrød behandelt. Die quadratischen Fenster auf der Landseite bezeichnen die Lage der Treppen zu den einzelnen Umkleide- und Waschräumen. Eine Reihe kurzer Treppen nimmt den natürlichen Höhenunterschied am nördlichen Rand der Flußaue auf. Dabei ist nur das ‚Obergeschoß’ tatsächlich genutzt. Der Sockel ist Stützwand oder er nimmt untergeordnete technische Betriebsräume auf.

Die Treppen gliedern das ca. 100m lange Haus auf der Wasserseite in einzelne ‚Kisten’, die durch das Dach und durch den vorgelagerten Gang mit der Reihe sehr schlanker Stahlstützen wieder zusammengezogen werden. Auf dem Betonsockel der Stützwände wurde das Haus in Holztafelbauweise aus großformatigen, vorgefertigten Wand- und Deckenelementen errichtet. Die offenen Fugen der Lärchenschalung gewährleisten die natürliche Durchlüftung der Umkleiden und der Waschräume.

‚Unweigerlich ruft das Gebäude Erinnerungen wach; scheinen sich andere Frei- und Seebadeanlagen in diesem Haus zu überlagern: Gebäude aus der Zeit der Moderne um 1930 und ihrer ‚Volksgesundheit’- und Körperkultur-Ästhetik, doch auch Anlagen aus der frühen Nachkriegszeit, die mit beschwingter Sparsamkeit neue Lebensfreude verbreiten wollten. ‚Typisch’ ist die treffendste Charakterisierung dieses Baus.’ (Ulrich Brinkmann, Bauwelt 21.2002)

 

Bauherr: Stadt Großenhain
Wettbewerb 1. Preis, realisiert
Neubau des Betriebsgebäudes für ein Naturbad
Mitarbeit: L. Pahlisch, B. Pachael, S. Kühn, K. Reimann
Tragwerk: Ingenieurbüro Werner, Großenhain
Bauüberwachung: Ingenieurbüro Preibisch, Großenhain
Freianlagen: Weidinger Landschaftsarchitekten, Berlin
Fotos: Bernd Hiepe, Berlin

 

Sächsischer Staatspreis für Baukultur 2003
Deutscher Städtebaupreis 2002, Besondere Anerkennung