Tschaikowsky-Haus

Hansestadt Hamburg

Mit dem neuen Gemeindehaus wird der Kirche des heiligen Johannes von Kronstadt zu Hamburg ein zweiter, deutlich kleinerer Solitär zur Seite gestellt. Dem Kirchenbau verwandte räumliche Prinzipien bestimmen auch das neue Gemeindehaus und verbinden beide Gebäude über die unterschiedlichen, zeitgebundenen Formensprachen hinweg zu einem schlüssigen Ensemble.

Die 1906/07 von Fernando Lorenzen auf dem Grundriß eines griechischen Kreuzes als überkuppelter Zentralbau errichtete Gnadenkirche verbindet die räumliche Struktur ostkirchlicher Sakralbauten mit den Formen ihrer romanischen Vorbilder in Worms, Speyer, Limburg oder Mainz[1]. Gerade die Wirkung des Zentralraumes war Lorenzen seinerzeit besonders wichtig, er sprach von „eine[m] großen, gemeinsamen überwölbten Raum, der die Gemeinde zusammenhält.[2]

Trotz seiner deutlich geringeren Größe und seiner vielfältigen, kleinteiligen Nutzung ist auch das neue Gemeindehaus ebendiesem Gedanken verpflichtet. Es ist ein nahezu symmetrischer Bau, dessen äußere Form von der leichten Abweichung zwischen der achsialen Ausrichtung der Kirche einerseits und dem Verlauf der angrenzenden Straße Vor dem Holstentor andererseits bestimmt wird. Man kann durchaus sagen, daß die Kubatur des Gemeindehauses auf seine Mittlerrolle zwischen städtischem und kirchlichem Leben verweist.

Obwohl die Zusammengehörigkeit von Kirche und Gemeindehaus betont wird, bleibt die dominante Rolle der Kirche an diesem Ort in der Stadt gewahrt. Dazu tragen neben dem offensichtlichen Unterschied in der plastischen Gliederung auch die Materialien des neuen Hauses bei. Der graue Kalkstein wird beim Gemeindehaus nur im Sockel eingesetzt, darüber zeigt das Haus eine Fassade aus graubunten, stehend vermauerten Ziegelsteinen. Deren Farbe entspricht zwar fast genau dem Spektrum der Kirchenfassade, dennoch wird auch im Material der Bedeutungsunterschied lesbar.

Wie ein Bug scheint sich der Giebel des Gemeindehauses nach Norden zu erheben. Die Grundrißform, die einfache Gliederung der ruhigen Lochfassaden und die zur Fassadenmitte hin fallenden Traufen stärken den archaischen Eindruck, den das neue Gemeindehaus vermittelt. Diese Analogie ist uns willkommen. Das übertragene Bild der Arche erscheint für das Gemeindezentrum durchaus angemessen. Gleichsam wie ein festes Schiff im Sturm bietet die Kirchengemeinde ihren Gläubigen Orientierung und Sicherheit in einem oft bewegten Leben.

[1] Diese Vorbilder nennt Lorenzen selbst in seiner Rede zur Grundsteinlegung am 08.07.1906. Zit. nach Wolfgang Meyer; Fernando Lorenzen, Ein Hamburger Architekt des Deutschen Kaiserreiches; Neumünster 2008
[2] ebda.
 
Bauherr: Russisch-orthodoxe Kirche des Heiligen Johannes von Kronstadt zu Hamburg
Wettbewerb 1. Rang, realisiert
mit G. Heidenreich
Neubau eines Gemeindehauses
Wettbewerb: V. Chacon, J. Jambor
Mitarbeit: V. Chacon, A. Debus, M. Fritz, F. Petters
Visualisierungen: J. Gehrcken, Berlin
Bauüberwachung: Hohaus, Hinz, Seifert, Hamburg
Tragwerk: Ingenieurbüro R. Jockwer GmbH, Berlin
Fotos: Bernd Hiepe, Berlin